Psychoanalyse und Politik

(08.11.2020)

 

Als Facharzt für Psychosomatische Medizin bin ich zutiefst davon überzeugt, dass der Mensch eine Ganzheit darstellt, bestehend aus Körper, Seele und Geist - wobei die Gestalt mehr ist als nur die Summe der einzelnen Teile. Nicht nur aus der buddhistischen Lehre, sondern schon lange auch aus der Quantenphysik wissen wir, dass alles mit allem verbunden ist. Das naturwissenschaftliche Verständnis unseres Seins im sinne eines Isaac Newton - in dem sich der wissenschaftliche Beobachter losgelöst vom Objekt seiner Beobachtung versteht und erlebt -  ist anhand aller Erkenntnisse, auf die wir inzwischen zurückgreifen können, überholt. Leider finden wir gerade in der Medizin immer noch viele Vertreter dieses alten Menschenverständnisses. Thure von Uexküll, Begründer der modernen Psychosomatik, ließ diese Tatsache feststellen: „Während dessen die Mediziner immer noch an die Physik glauben, glauben die Physiker schon lange wieder an den lieben Gott.“

Können wir aufgrund der Erkenntnis, dass alles mit allem verbunden ist, Politik von unserem Verständnis dessen, was sich gesellschaftlich, d. h. auch gesundheitspolitisch, vollzieht trennen?

Ich habe mich als Arzt und Psychoanalytiker - in Anbetracht der aktuellen gesellschafts-politischen Entwicklung - bewusst dafür entschieden, in meinen öffentlichen Äußerungen meine Abstinenz aufzugeben und mich offen zu meinen persönlichen Überzeugungen zu bekennen. Ich tue dies wohlwissend, dass ich damit zur deutlichen Minderheit meiner Berufskollegen zähle. Für mich ist es eine Frage meines Selbstverständnisses und ich lehne mich damit gerne an Horst-Eberhard Richter (1923-2011) an, der in den 1970er und 1980er Jahren eine Leitfigur der Friedensbewegung war.

 

Mit seinem 1981 veröffentlichen Buch 'Alle reden vom Frieden' legte er die Grundlage für sein weitergehendes Engagement in der damaligen Friedensbewegung. 1982 gründete er die westdeutsche Sektion der 'Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges'. Diese Organisation erhielt 1985 den Friedensnobelpreis. 

 

In dem Vorwort zu seinem Buch 'Psychoanalyse und Politik' finde ich meine eigene Überzeugung, der ich mich verpflichtet fühle und die mich trägt, in ganz hervorragender Weise zum Ausdruck gebracht:

 

"Es gibt eine kreisförmige Wechselbeziehung zwischen Machen und Erkennen. Wenn man nicht macht, was man als notwendig, wenn auch mit persönlichen Unannehmlichkeiten behaftet, erkannt hat, dann kann man irgendwann auch nicht mehr erkennen, was zu machen ist. Wer Anpassungszwängen taktisch nachgibt, wohl wissend, dass er ihnen mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte und auch sollte, wird nach und nach die Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen gar nicht mehr wahrnehmen, d. h. die eigene Gefügigkeit auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen. Alles erscheint normal: die Verhältnisse, denen er sich ergibt, und der Verzicht auf Gegenwehr, den er eben gar nicht mehr erlebt." 


Beiträge zur aktuellen Entwicklung

aufgrund der Corona Krise finden Sie auf der nächsten Seite - Klick hier >